Chorleitende sind auch nur Menschen

Chorleitende sind auch nur Menschen

Manchmal überkommt es auch den Chorleider und er fragt sich: ist er eventuell doch nicht perfekt? Könnte es sein, dass auch andere Menschen gute Ideen zum Thema „Chorleitung“ haben? Dann sucht er sich einen Kurs der interessant klingt und drückt wieder die Schulbank… Natürlich nur im übertragenen Sinn, ich nahm am CED-Projektchor Pop/Jazz, der am vergangenen Wochenende in der Landesmusikakademie Rheinland-Pfalz in Engers zu Gast war, teil. Morten Vinther, in der Szene vor allem als ehemaliges Mitglied der Real Group bekannt, ist ein dänischer Sänger, Dirigent, Komponist und Produzent, der sich der Herausforderung stellte, aus knapp 30 Chorleitenden aus ganz Deutschland in 3 Tagen einen Chor zu formen. Dabei nutzt er Methoden, die von der Real Group entwickelt wurden, gewürzt mit Jim Daus Hjernøes Ideen zum „Intelligent Choir“.

Meine Intelligenz wurde dann auch direkt auf die Probe gestellt, ich bekam an der Rezeption den Schlüssel zu Zimmer 309 und begab mich erst mal dorthin. Zumindest versuchte ich es, denn laut Wegweiser gab es mein Zimmer nicht…

Glücklicherweise war es doch da, nach einigem Suchen, hat es sich mir gezeigt. Es stellte sich später heraus, dass es früher nur als Büro genutzt wurde.

In den folgenden Tagen habe ich viele interessante Anregungen für meine Arbeit erhalten und viele ganz wunderbare Menschen kennenlernen dürfen. Neben dem intensiven Proben kam auch der soziale Aspekt nicht kurz, gerade die Abende im Keller der Akademie waren sehr unterhaltsam.

Am Samstag hatte Morten dann noch eine „kleine“ Challenge für uns: Das erste Lied des Abschlusskonzertes sollten wir auswendig singen, das hatten wir nicht kommen sehen! Nun war guter Rat teuer, schließlich aber hatte die gute Seele des Kurses die rettende Idee: „Wir singen das heute Abend im Keller bei Bier und Wein (alkoholfreie Getränke waren erlaubt – wir sind da sehr tolerant) so lange durch, bis wir es können!“ Gesagt getan, die Hälfte des Chores traf sich zum „Nachsitzen“ und siehe da: Neben sehr viel Spaß, waren wir auch noch erfolgreich.

Am Tag des Konzertes kam dann die Einsicht:

„Wir Chorleitende sind auch nur Menschen.“

Alles, was ich von den zahlreichen Auftritten mit meinen eigenen Chören kenne, trifft auch zu, wenn der Chor zu 90% aus Chorleitenden besteht, die dann plötzlich zu „normalen“ Singenden werden. Irgendjemand kommt zu spät zum Sammeln vor dem Konzert, einige werden schon nervös, viele denken: „Sind wir denn gut genug?“ Und genau wie bei allen Konzerten funktioniert nicht alles so, wie wir uns das erwünscht haben.

Tut das dem Konzerterlebnis einen Abbruch. Ganz und gar nicht, wenn ich den Reaktionen des Publikums Glauben schenken darf. Musik will uns berühren, das tut sie am besten, wenn auch die Ausführenden offen dafür sind, sich von der eigenen Aufführung berühren zu lassen, ob dann alles „perfekt“ ist, ist nicht mehr wichtig. Somit durften wir sogar „Standing Ovations“ in Empfang nehmen und durften noch eine Zugabe singen und, genau wie meine Chöre, machte uns das sehr glücklich (mich zumindest).

Eine kleine Nachhilfestunde in Sachen „Emanzipation“ hatte ich dann noch beim Abschluss in der Pizzeria. Aus irgendeinem Grund kam das Thema „Wie öffne ich eine Bierflasche?“ auf, ein Wort gab das andere und ich sagte dann etwas flapsig: „Eine Dame muss das nicht mit den Augenbrauen können...“ Unsere gute Seele wies mich völlig zurecht darauf hin, dass eine Frau ja wohl auch das Recht dazu hat, dieses zu lernen. Ich konnte sie erst wieder etwas versöhnlich stimmen, indem ich erklärte, dass ich das selbst auch nicht kann…